Poetry Weiß, Konrad: Tantalus [german]. V1. 20.12.2018

[wilfriedk]

Schon der Versuch, auf den Tantalus von Konrad Weiß eine Gattungsbezeichnung anzuwenden, scheitert. "Traumprosa" wäre noch am ehesten passend, denn was da erzählt wird, sind Träume, oder ist zumindest traumhaft. "Ich war über dem Wasser des Denkens eingeschlafen. Da siedelte der Traum eine Insel auf mir an." Mit diesen Sätzen beginnt das erste der drei Stücke, Das Wasser überschrieben.

Dieses Buch redet in surrealen Bildern und hermetischen Betrachtungen über jemand, der, wie der Tantalus der griechischen Sage, nach etwas dürstet, das er nicht erreichen kann, der Mangel leidet; und damit über eine Grundsituation des menschlichen Lebens. Dabei verwendet es vor allem christliches, aber auch antikes Gedankengut.

Da es sich um Traumerzählungen handelt, darf man keine logisch nachvollziehbare Handlung erwarten. Vielmehr ist dies ist eines der rätselhaftesten Bücher, die ich je gelesen habe; aber trotzdem kann man bei wiederholtem Lesen immer mehr Bezüge entdecken, zunächst Dunkles hellt sich auf, Schleier lüften sich ein wenig, nur um hinter dem Gesehenen noch mehr Verhülltes aufscheinen zu lassen. Wahrhaftig keine leichte, aber eine fesselnde Lektüre.

Der Tantalus ist zuerst 1929 erschienen.

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Konrad Weiß lebte von 1880 bis 1940. Er studierte zunächst Theologie, brach das Studium aber ab, als er feststellte, daß er nicht Kleriker werden könne. Von Beginn seines Studiums an belegte er auch Vorlesungen in Kunstgeschichte, Geschichte und Literatur. Im Brotberuf war er Redakteur in recht subalterner Stellung, zuerst ab 1905 bei der Zeitschrift Hochland, dann ab 1920 bei den Münchner Neuesten Nachrichten. Bei beiden war er für den Bereich Bildende Kunst zuständig. Er wurde erst spät zum Dichter: sein erstes Gedicht entstand im Jahr 1914. Er heiratete spät, machte nie Karriere, und wurde als Dichter, obwohl in bestimmten künstlerischen Kreisen und von manchen Dichterkollegen wie Hofmannsthal, Borchardt oder Loerke hochgeschätzt, weder zu Lebzeiten noch danach einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Wer sich näher über den Dichter Konrad Weiß informieren möchte, findet die detailliertesten und verlässlichsten Informationen im Marbacher Magazin 15, das 1980 zum hundertsten Geburtstag von Konrad Weiß erschien, dessen dritte Auflage von 2001 noch erhältlich ist.

Gedanklich fußt Konrad Weiß im (christlichen) Mittelalter, mit dessen Geschichte, Kunst und Literatur er sich intensiv auseinandergesetzt hat. Sprachlich ist er auf der Höhe seiner Zeit; man fühlt sich mal an expressionistische, mal an surrealistische Literatur erinnert, oder auch an den magischen Realismus. Immer aber bleiben seine Sprache wie seine Inhalte unverkennbar.

Bücher von Konrad Weiß sind, wenn überhaupt, seit längerer Zeit nur noch antiquarisch erhältlich. Als eBooks gibt es bislang, soweit ich sehe, nur die hier und auf meiner Website zur Verfügung gestellten.

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[brucewelch]

In Ermangelung verteilbaren Karmas:

Großes Lob für Deine buchsorgerischen Aktionen in Bezug auf Konrad Weiß, und ein besonderes für die sehr ansprechenden Präsentationen seiner Werke.

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast.

[wilfriedk]

Das Lob kann ich angesichts deiner Beiträge nur vervielfacht zurückgeben (wie das mit dem Karma geht, muß ich noch herausfinden).

Ich habe seit 2012 nach und nach fast das gesamte Werk von Konrad Weiß auf meiner Internetseite veröffentlicht; zuletzt darüber hinaus auch die von mir aus den Handschriften transskribierten Tagebücher von 1914-19 als Erstveröffentlichung.

Daß ein Forum wie mobileread ein viel geeigneterer Ort ist, um einen weitgehend unbekannten Dichter "an den Mann zu bringen", darauf bin ich erst kürzlich gekommen. Manchmal dauerts eben ein bißchen länger.

Übrigens interessiere ich mich auch noch für (sehr viele) andere Autoren als Konrad Weiß (von dem man sich dann auch ab und zu erholen muß). Die meisten davon sind allerdings leicht verfügbar, so daß ich mich nicht gedrängt fühle, etwas zu tun.

Im Moment habe ich die Gedichte von Max Kommerell in der Mache. Noch ein Dichter, der leider nicht so bekannt ist, wie er verdiente. Und VIEL leichter verständlich als Konrad Weiß.